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Gefangen in eigenen Ängsten
- oder auch: deine stärke lässt mich schwach sein -

Ein leises Rauschen ist zu hören, doch ich vermag nicht auszumachen, welchen Ursprung dieses Geräusch hat. Schweiß perlt sich auf meiner Haut, schmecke ihn als meine Zunge über meine Lippen fährt. Leise stöhne ich auf. Meine Nerven sind angespannt, mein ganzer Körper wie elektrisiert. Ein Schauer jagt mir über den Rücken, aber ich verharre reglos, schweigend, wappne mich innerlich auf das, was geschehen wird.

Draußen fahren Autos vorbei, doch das ist für mich ohne Bedeutung, alles, was mich interessiert, spielt sich hier im Raum ab, unmittelbar in meiner Nähe. Die Spannung wird unerträglich, doch ich verhalte mich weiterhin ruhig, zähle die Sekunden bis etwas geschieht. Lausche angestrengt, doch kann nicht das kleinste Geräusch ausmachen.

Ich will meine Hand heben, trotzig meinen Kopf in den Nacken werfen. Aber gerade als ich es wage, schließt sich eine Hand um mein Gelenk, ich zucke zusammen, beginne zu zittern, während diese Hand langsam meinen Arm hoch wandert und eine heiße Spur hinterlässt. Ein Feuer breitet sich in mir aus und scheint mich zu verzerren. Mein Herzschlag beschleunigt sich, ich habe das Gefühl als würden meine Beine jeden Moment unter mir nachgeben.

Mittlerweile ist die Hand an meinem Hals angelangt. Doch ganz plötzlich ist sie weg. Ein Gefühl der Leere macht sich in mir breit, aber ich verdränge es schnell. Verlassen komme ich mir vor, aber ich zeige keine Schwäche, bleibe stumm, strecke trotzig mein Kinn vor und beiße die Zähne zusammen. Eisern bleiben, jede Regung zu unterdrücken, ist nur noch mein einziger Wunsch, mein einziges Bestreben.

Ich spüre eine Bewegung, fühle eine Hand an meiner und ehe ich in irgendeiner Art und Weise reagieren kann, wird mein Kopf nach hinten gerissen. Im nächsten Moment schon fühle ich harte Lippen auf meinen weichen. Eine Zunge versucht sich in meine Mundhöhle zu schieben, aber ich wehre mich stumm. Bleibe kalt, auch wenn sich alles in mir danach sehnt nachzugeben. Lange vermag ich der Hitze in mir nicht mehr standzuhalten. Heißer Atmen streift mein Gesicht, mein Mund ist wieder frei, ich atme tief durch und unterdrücke das Gefühl erneuter Leere. Alleine, verlassen, so fühle ich mich, will es aber nicht, keine Schwäche zeigen, keinen Gefühlen nachgeben. Es wäre sonst mein Untergang, es würde kein Zurück mehr geben, alles Vertraute wäre für immer verloren.

Langsam beruhigt sich mein Herzschlag wieder und ich wage es aufzuatmen. Und doch weiß ich, dass es kein Entkommen gibt. Das Sehnen, welches tief in mir herrscht, breitet sich unaufhaltsam aus. Gedanken, verwirrend und beängstigend, gleichzeitig auch faszinierend und berauschend, benebeln meinen Verstand. Es wäre so einfach sich fallen zu lassen, alles hinter sich zu lassen und frei von dem Druck zu sein, der einen lähmt. Wäre da nicht dieser kleine Rest Angst, von dem Stolz mal ganz abzusehen. Vertrauen, nein, zu gefährlich, man würde nur leiden, also heißt es weiter die Starke zu sein, keine Schwäche zeigen.

Mit einem Ruck werde ich umgedreht. Alle Gedanken sind vergessen. Schwindelig halte ich dem Atmen an. Schließe die Augen, habe kaum noch Kraft in mir. Ich höre ein leises Lachen und schaue schnell auf, doch es gefällt mir nicht, was ich sehe und so senke ich meinen Kopf wieder. Zu intensiv war mir dieser Blick, zu aufwühlend. Ich beginne mich zu fragen, wogegen ich eigentlich so verbissen ankämpfe und ob es irgendetwas bringt, ob ich nicht letztlich doch nachgeben werde. Und tief in mir möchte ich mich schon gar nicht mehr wehren. Trotz allem ist noch ein kleiner Funke in mir, der mich nicht reagieren lässt. Langsam hebe ich den Kopf, öffne die Augen, stelle mich mutig der Wahrheit, vermeide es jedoch zu viel von mir preiszugeben.

Meine Augen mögen zwar voller Tränen sein, mein Blick jedoch ist noch nicht gebrochen. Ich sehe seinen Mund näher kommen und einen Herzschlag lang möchte ich fliehen, doch dann ist alles zu spät. Seine Lippen senken sich auf meine und alles andere scheint restlos an Bedeutung verloren zu haben. Ich gebe mich meinen Gefühlen hin, öffne mein Herz, auch wenn ich mich damit sehr verwundbar mache, aber zu lange spielte ich die Harte, die Unnahbare. Zu lange war ich alleine und ließ nichts an mich herankommen.

Ein Gefühl der Erleichterung mischt sich mit dieser alles verzerrenden Leidenschaft und ich fühle wie der Eispanzer um meinem Herzen in der Glut des Augenblicks schmilzt. Alle Angst fällt von mir ab. Wie von selbst heben sich meine Arme, finden seinen Nacken und ziehen seinen Kopf noch näher. Wie eine Ertrinkende klammer ich mich an ihn und genieße seine Stärke, durch die ich immer schwächer werde, immer mehr Ich werde. Jeder Gedanke ist ausgelöscht, ich bestehe nur noch aus Gefühl. Fühle mich nur noch frei. Lebendig, wie nie zuvor in meinen ganzen Leben.

© Morgan MacAilis